Storytelling als Lehrmittel in der Finanzbildung: Das CFIEE-Modell

Es begann mit einer Geschichte über ein Fahrrad. Ein Mann namens Carlos stand während eines Community-Workshops auf und erzählte allen, wie er als Teenager von seinem Cousin Geld geliehen hatte, um ein gebrauchtes Fahrrad zu kaufen. Zunächst war es aufregend – Freiheit auf zwei Rädern, kein Warten auf den Bus. Aber Carlos gestand, dass er nicht daran gedacht hatte, das Geld zurückzuzahlen. Aus Wochen wurden Monate, und als sein Cousin schließlich das Geld zurückforderte, hatte er es nicht. Die Beziehung verschlechterte sich über Jahre hinweg wegen einer Schuld, die heute gering erscheint.

Diese einzelne Geschichte erregte die Aufmerksamkeit des gesamten Raumes mehr als es jemals eine Grafik oder eine Zinsformel hätte tun können. Die Leute nickten, einige lachten sogar wissend. Jeder hatte eine Version von Carlos’ Fahrrad – eine impulsive Entscheidung, eine offene Schuld, eine zu spät gelernte Lektion. CFIEE (der Internationale Rat für Wirtschaftspädagogik) versteht diese Kraft des Erzählens und hat das Geschichtenerzählen zu einem der Eckpfeiler seines Finanzbildungsmodells gemacht.

CFIEE verteilt nicht einfach Arbeitsblätter über Zinseszinsen oder hält Vorträge über Rückzahlungspläne. Diese Dinge sind natürlich wichtig, aber sie bleiben selten von selbst im Gedächtnis haften. Stattdessen verwebt die Organisation Finanzprinzipien in Geschichten – echte Geschichten, die von den Lernenden selbst erzählt oder aus dem Alltag gegriffen werden. Dieser Ansatz erinnert weniger an einen Unterricht im Klassenzimmer als vielmehr daran, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen und wichtige Erfahrungen auszutauschen.

Warum Geschichtenerzählen? Weil Menschen schon immer auf diese Weise gelernt haben. Lange vor der Einführung von Lehrbüchern gaben Gemeinschaften Überlebensfähigkeiten durch Geschichten weiter. Ein Jäger erzählte, wie er ein Tier aufgespürt hatte, anstatt Strategien in Stichpunkten aufzuzählen. In ähnlicher Weise haben die CFIEE-Trainer festgestellt, dass, wenn ein Teilnehmer hört, wie ein Nachbar einen Zahltagskredit vermieden oder ein Familiensparschwein eingerichtet hat, die Lektion nicht nur in seinem Kopf hängen bleibt, sondern auch in seinem Bauch.

Nehmen wir das Beispiel von Aisha, einer jungen Frau, die einmal von ihren Schwierigkeiten mit Kreditkartenschulden berichtete. Sie gab zu, dass sie ihre Karte als „zusätzliches Geld” betrachtete und erst dann die Falle erkannte, als ihre Mindestzahlungen den Saldo kaum verringerten. Während einer CFIEE-Sitzung sprach sie offen über ihre Scham und die Schritte, die sie unternommen hatte – unnötige Abonnements kündigen, Geld für die Tilgung von Schulden verwenden und vor allem um Hilfe bitten, bevor es noch schlimmer wurde. Diese Geschichte wurde für andere in der Gruppe zu einem Wendepunkt. Es war nicht eine Grafik über Zinseszinsen, die sie dazu brachte, ihre eigenen Gewohnheiten zu überdenken, sondern Aishas Ehrlichkeit.

Die Trainer von CFIEE schaffen bewusst Raum für solche Austauschmöglichkeiten. In den Workshops sind die Teilnehmer keine passiven Zuhörer – sie sind selbst Geschichtenerzähler. Ein Landwirt erzählt vielleicht, wie er wegen eines schlecht strukturierten Kredits fast sein Land verloren hätte. Eine Großmutter erinnert sich vielleicht daran, wie sie in schwierigen Zeiten Münzen in einem Glas gespart hat, um damit später die Schulausbildung ihrer Enkelin zu finanzieren. Diese Erzählungen vermitteln Werte, die Zahlen allein nicht vermitteln können. Sie zeigen die chaotische, menschliche Seite der Finanzen – wo Emotionen, Beziehungen und Entscheidungen aufeinanderprallen.

Was diese Methode besonders effektiv macht, ist, dass Geschichten die Trockenheit der Fachsprache umgehen. Zinssätze, Kreditbedingungen und Budgetprozentsätze sind leicht zu vergessen; sie verschwimmen zu Hintergrundgeräuschen. Aber Geschichten über gelebte Erfahrungen wecken Erinnerungen. Eine Person erinnert sich vielleicht nicht an die genaue Formel zur Berechnung der monatlichen Zinsen, aber sie erinnert sich an Carlos’ Fahrrad oder Aishas Kampf mit Kreditkarten. Und wenn sie vor ihren eigenen finanziellen Entscheidungen stehen, tauchen diese Geschichten oft als sanfte Erinnerungen wieder auf.

Verhaltensänderungen kommen schließlich selten durch Regeln zustande. Die meisten Menschen wissen, dass sie nicht zu viel ausgeben oder Rückzahlungspläne ignorieren sollten. Die Herausforderung besteht darin, dieses Wissen in die Tat umzusetzen. Der Einsatz von Geschichten durch CFIEE macht diesen Sprung natürlicher. Die Teilnehmer sehen sich selbst in den Geschichten wieder – mit ihren Schwächen, Hoffnungen und Fehlern – und diese Erkenntnis schafft Motivation. Wenn jemand anderes aus ihrer Nachbarschaft sich aus den Schulden befreien oder ein finanzielles Polster aufbauen kann, dann können sie das vielleicht auch.

Eine weitere Geschichte, die in den CFIEE-Sitzungen oft erzählt wird, handelt von einer Nachbarschaft, die einen gemeinsamen Notfallfonds eingerichtet hat. Zunächst klang das idealistisch. Die Menschen machten sich Sorgen um Vertrauen und Verantwortlichkeit. Aber ein Bewohner erzählte, wie der Fonds seine Familie gerettet hat, als unerwartet eine Arztrechnung eintraf. Diese einzelne Aussage veränderte die Perspektive der Gruppe – plötzlich war der Fonds nicht mehr nur ein Konzept, sondern eine Lebensader. Heute haben andere Nachbarschaften diese Idee übernommen, inspiriert von dieser ersten Erzählung.

In vielerlei Hinsicht spiegelt der Ansatz von CFIEE den Alltag wider. Denken Sie daran, wie Familien ihre Kinder erziehen. Eltern warnen ihre Kinder vielleicht vor übermäßigen Ausgaben, indem sie ihnen erzählen, wie sie selbst im College pleite gegangen sind. Lehrer verbinden den Mathematikunterricht vielleicht mit realen Einkaufssituationen. Geschichtenerzählen macht Bildung menschlicher; es schlägt eine Brücke zwischen abstraktem Wissen und gelebter Realität. CFIEE überträgt diese uralte Weisheit einfach auf den Bereich der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.

Natürlich ersetzt das Erzählen von Geschichten kein Fachwissen – es ergänzt es. Das CFIEE vermittelt weiterhin die Grundlagen: wie man Kreditangebote vergleicht, wie man Zinsen berechnet, wie man ein Budget plant. Aber diese Lektionen kommen besser an, wenn sie in eine Erzählung eingebettet sind. Zahlen bilden das Gerüst, Geschichten füllen es mit Leben. Zusammen schaffen sie etwas, das die Teilnehmer über den Unterricht hinaus in ihren Alltag mitnehmen können.

Die Ergebnisse sprechen für sich. Viele Lernende berichten nicht nur von besseren finanziellen Entscheidungen, sondern auch von mehr Selbstvertrauen. Sie gehen mit dem Wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind, dass auch andere gestolpert sind und dass es Lösungen gibt. Und dieses Gefühl der Solidarität verbreitet sich oft – Geschichten, die in einem Workshop erzählt werden, werden am Küchentisch, am Arbeitsplatz und bei Gemeindeversammlungen weitergegeben, wodurch sich ihre Wirkung vervielfacht.

Im Kern glaubt CFIEE, dass wirtschaftliche Bildung Leben verändern kann. Das Erzählen von Geschichten ist eine der Möglichkeiten, dies zu erreichen – nicht durch große Theorien, sondern durch kleine, menschliche Momente der Verbundenheit. Ein geliehenes Fahrrad, ein Fehltritt mit der Kreditkarte, ein Notfallfonds der Gemeinde – das sind nicht nur Anekdoten, sondern Werkzeuge zum Überleben und Wachsen.

In einer Welt, in der Finanzsysteme kalt und einschüchternd wirken können, erinnert uns CFIEE daran, dass es beim Geld im Kern um Menschen geht. Und Menschen lernen, wie die Geschichte zeigt, am besten durch Geschichten.

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