Einleitung
Das Erbrecht gehört zu den sensibelsten und komplexesten Rechtsgebieten in Deutschland. Es berührt nicht nur Vermögenswerte, sondern auch familiäre Beziehungen, Emotionen und generationsübergreifende Verantwortung. In einem solchen Umfeld ist professionelle und spezialisierte Rechtsberatung essenziell – hier kommt der Fachanwalt für Erbrecht ins Spiel. Er bietet kompetente Unterstützung bei Nachlassregelungen, Testamentsgestaltung, Erbauseinandersetzungen und steuerlichen Fragen.
In diesem Artikel erfahren Sie alles Wissenswerte rund um das Berufsbild des Fachanwalts für Erbrecht – von den Voraussetzungen über seine Aufgaben bis hin zu den Vorteilen für Ratsuchende.
1. Was ist ein Fachanwalt für Erbrecht?
Ein Fachanwalt für Erbrecht ist ein Rechtsanwalt, der sich auf das deutsche Erbrecht spezialisiert hat und über besondere theoretische Kenntnisse sowie umfangreiche praktische Erfahrungen in diesem Rechtsbereich verfügt. Die Bezeichnung „Fachanwalt“ ist in Deutschland gesetzlich geschützt und darf nur von Anwälten geführt werden, die die entsprechenden Qualifikationen nachweisen können.
Der Fachanwalt für Erbrecht berät Mandanten bei allen Fragen rund um das Vererben, Erben und die Abwicklung von Nachlässen. Seine Tätigkeiten reichen von der Gestaltung von Testamenten über die rechtssichere Regelung der Unternehmensnachfolge bis zur Vertretung in Erbstreitigkeiten.
2. Voraussetzungen zur Erlangung des Fachanwaltstitels
Um die Bezeichnung Fachanwalt für Erbrecht führen zu dürfen, müssen Rechtsanwälte strenge Anforderungen erfüllen, die von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) geregelt werden. Zu den wichtigsten Voraussetzungen gehören:
a) Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse
Der Anwalt muss an einem speziellen Fachanwaltslehrgang teilnehmen, der mindestens 120 Zeitstunden umfasst. Inhalte dieses Lehrgangs sind u. a.:
- Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge
- Pflichtteilsrecht
- Testamentsvollstreckung
- Nachlassverwaltung
- Internationale Erbrechtsfragen
- Steuerrechtliche Aspekte des Erbens
- Unternehmensnachfolge
Am Ende des Lehrgangs sind mehrere Klausuren zu bestehen, die die theoretische Qualifikation dokumentieren.
b) Praktische Erfahrungen
Zusätzlich muss der Anwalt innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung mindestens 80 erbrechtliche Fälle selbstständig bearbeitet haben. Diese müssen verschiedene Bereiche des Erbrechts abdecken.
c) Fortbildungspflicht
Einmal erworben, verpflichtet der Fachanwaltstitel zur jährlichen Fortbildung im Umfang von mindestens 15 Stunden. So wird sichergestellt, dass der Fachanwalt stets über aktuelle Entwicklungen im Erbrecht informiert ist.
3. Aufgaben und Tätigkeitsfelder eines Fachanwalts für Erbrecht
Die Aufgaben eines Fachanwalts für Erbrecht sind vielfältig und umfassen sowohl beratende als auch forensische (gerichtliche) Tätigkeiten. Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Aufgabenbereiche:
a) Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen
Ein zentrales Betätigungsfeld ist die rechtssichere Gestaltung letztwilliger Verfügungen:
- Testamentserstellung (Einzeltestament, gemeinschaftliches Testament, Berliner Testament)
- Erbverträge mit Vertragspartnern
- Absicherung von Patchworkfamilien
- Regelung des digitalen Nachlasses
b) Beratung zur Erbfolge
Der Fachanwalt berät Mandanten über die gesetzliche Erbfolge und zeigt auf, wie durch individuelle Regelungen vom Gesetz abgewichen werden kann – z. B. zur bevorzugten Behandlung bestimmter Erben oder zur Vermeidung von Streit.
c) Pflichtteilsrecht
Auch bei der Berechnung, Geltendmachung oder Abwehr von Pflichtteilsansprüchen steht der Fachanwalt zur Seite. Gerade in Fällen mit komplexen Vermögensstrukturen (Immobilien, Firmenanteile) ist fundiertes Wissen gefragt.
d) Nachlassabwicklung und Erbauseinandersetzung
Nach dem Erbfall unterstützt der Fachanwalt bei:
- Beantragung des Erbscheins
- Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft
- Verwaltung und Verteilung des Nachlasses
- Erstellung eines Nachlassverzeichnisses
- Auseinandersetzung innerhalb der Erbengemeinschaft
e) Steuerrechtliche Beratung
Erbschaften unterliegen in Deutschland der Erbschaftsteuer. Ein Fachanwalt für Erbrecht kennt die relevanten steuerlichen Vorschriften und berät zur steueroptimierten Vermögensübertragung – sei es durch Schenkungen zu Lebzeiten oder durch Testamentsgestaltung.
f) Unternehmensnachfolge
Bei Unternehmern oder Freiberuflern muss der Nachlass auch die wirtschaftliche Zukunft sichern. Der Fachanwalt erstellt individuelle Konzepte zur Unternehmensnachfolge und kooperiert dabei häufig mit Steuerberatern und Notaren.
4. Warum ein Fachanwalt für Erbrecht?
In erbrechtlichen Angelegenheiten kann viel auf dem Spiel stehen – sowohl finanziell als auch emotional. Eine fehlerhafte oder missverständliche Testamentsformulierung kann zu Erbstreitigkeiten führen, Pflichtteilsansprüche gefährden oder steuerliche Nachteile mit sich bringen. Ein Fachanwalt für Erbrecht hilft dabei, solche Risiken zu vermeiden.
Vorteile im Überblick:
- Rechtssicherheit: Verfügungen und Verträge sind rechtlich wirksam und durchdacht.
- Konfliktvermeidung: Durch klare Regelungen werden spätere Streitigkeiten oft verhindert.
- Individuelle Beratung: Jeder Fall wird individuell betrachtet – keine Standardlösungen.
- Prozessvertretung: Bei Streitigkeiten kann der Fachanwalt auch vor Gericht vertreten.
- Steueroptimierung: Legale Gestaltungsmöglichkeiten zur Minimierung der Erbschaftsteuer werden genutzt.
5. Typische Fallkonstellationen
Hier einige typische Situationen, in denen ein Fachanwalt für Erbrecht hinzugezogen wird:
- Erstellung eines Testaments mit Sonderwünschen (z. B. Ausschluss einzelner Erben)
- Beratung bei Schenkungen zu Lebzeiten (vorweggenommene Erbfolge)
- Streit unter Geschwistern nach dem Tod der Eltern
- Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung
- Beratung bei Nachlass in mehreren Ländern (internationales Erbrecht)
- Regelung der Nachfolge für Familienunternehmen
6. Was kostet ein Fachanwalt für Erbrecht?
Die Kosten eines Fachanwalts für Erbrecht richten sich grundsätzlich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder nach einer individuellen Honorarvereinbarung. Die wichtigsten Kostenmodelle sind:
a) Vergütung nach RVG
Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt das RVG zur Anwendung. Die Gebühren richten sich nach dem Streitwert, der z. B. dem Wert des Nachlasses entsprechen kann.
b) Stundensatz
Außergerichtliche Beratungen werden oft auf Stundenbasis abgerechnet. Übliche Stundensätze für Fachanwälte liegen zwischen 180 € und 350 €.